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AutorenbildDirk Metz

Mehr Respekt und Sensibilität im Umgang mit Spitzenpersonal in Wirtschaft, Politik, Sport und Kultur

Aktualisiert: 30. März 2022



Der Ausraster von Jonas Hector und der Ausstieg von Naomi Osaka machen nachdenklich. Stellen wir uns für eine Sekunde vor, eine Ministerin würde in einer Pressekonferenz einem Journalisten vorwerfen, er stelle „immer diese Sch…fragen“ und hinzufügen: „Das ist ja Ihr Job, dumme Fragen zu stellen. Das machen Sie gut.“ Oder nehmen wir mal an, der Vorstandsvorsitzende eines DAX-Unternehmens kündigt an, nicht mehr mit Journalisten sprechen zu wollen, weil diese auf seine Gesundheit keine Rücksicht nähmen.


Die Rücktrittsforderungen gegen die Ministerin für diese Ungeheuerlichkeit würden nicht lange auf sich warten lassen, vom politischen Gegner ohnehin -und von Parteifreunden käme der Hinweis, so plump hätte sie es ja auch nicht machen müssen.


Die Aktie des DAX-Unternehmens würde massiv unter Druck geraten, Aufsichtsrat und Investoren würden dem sich den Medien verweigernden Vorstandschef kräftig Dampf machen.


In der Realität war es der ehemalige Fußball-Nationalspieler Jonas Hector, der unmittelbar nach der Niederlage des 1.FC Köln im Relegationsspiel gegen Holstein Kiel seinen Emotionen freien Lauf ließ. Sein „Ausraster“ wurde zum viralen Hit. Und es ist die japanische Weltklasse-Tennisspielerin Naomi Osaka, die wegen ihres Presseboykotts bei den French Open erst eine 15.000-Dollar-Geldstrafe kassierte und dann komplett aus dem Turnier ausstieg, um weiteren Sanktionen zu entgehen – und sich um sich selbst zu kümmern. Osaka leidet nach eigenen Angaben seit 2018 unter Depressionen und warf den Medien vor, keine Rücksicht auf die Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern zu nehmen.


Mir ist klar, dass es sich bei Sport, Wirtschaft und Politik um sehr unterschiedliche Lebenswelten handelt. In der Politik ist die Kommunikation zwingend, um die Bevölkerung und damit potenzielle Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Dass manche Politikerinnen und Politiker erleichtert sind, nach dem Ausscheiden nicht mehr mit Journalisten zu tun haben zu müssen, gehört auch zur Ist-Analyse. Ob und wieviel, wann und wie Politikerinnen und Politiker kommunizieren, bleibt ihnen freilich selbst überlassen. Aber wenn sie zurückhaltend kommunizieren, gelten sie als farblose Schlaftabletten. Machen sie Fehler, geht im Netz und in den Kommentarspalten die Post ab. In der Wirtschaft entscheidet die Kommunikation über Umsätze und Aktienkurse - insbesondere bei Unternehmen, die im B2C-Geschäft unterwegs sind.


Und im Sport? Der Spitzensport ist Teil der Unterhaltungsindustrie. Und als solcher ist in vielen professionellen Sportarten, im Tennis wie im Fußball, vertraglich geregelt, wer wann und wo Rede und Antwort zu stehen hat. Nicht zuletzt zum Wohle der Sponsoren, mit deren Logos im Hintergrund dem Publikum Kaufangebote unterbreitet werden. Und zur Unterhaltung der Zuschauerinnen und Zuschauer, die über ein Pay-TV-Abo verfügen oder einfach ihre Beiträge zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leisten. Und es ist ja auch wahr, dass die Sportlerinnen und Sportler wirtschaftlich gut damit leben, denn nur so sind hochdotierte (Werbe-)Verträge möglich.


Die Vorgänge um Jonas Hector und Naomi Osaka werfen aber ein grelles Schlaglicht darauf, dass es drinnen ganz anders aussehen kann. Sie zeigen, wie verletzlich Menschen sind. Die Suizide des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer und des früheren Siemens-Finanzvorstandes Heinz-Joachim Neubürger haben das in Politik und Wirtschaft auf schreckliche Weise offenbart, im Fußball sollte sich alles ändern, nachdem Nationaltorhüter Robert Enke sich das Leben nahm.


Die Antwort auf die Reaktionen Jonas Hectors und Naomi Osakas kann nur Respekt sein. Journalisten sollten nicht nur gut vorbereitet sein, sie sollten auch wissen, dass auf der anderen Seite am Mikrofon Menschen mit ihren Stärken, Schwächen und Emotionen sind, im Falle von Jonas Hector zudem wenige Sekunden nach einer bitteren Niederlage. Das gilt sogar für Spitzenpolitiker, die extrem diszipliniert jedes Wort auf die Goldwaage zu legen haben und auf denen nicht nur in Zeiten der Pandemie ein Dauerdruck fast rund um die Uhr lastet.


Und wir sollten gemeinsam akzeptieren, dass nicht jede Persönlichkeit in Politik, Wirtschaft und Sport so leichtfüßig und unverstellt zu kommunizieren versteht wie Lukas Podolski, der einst in einer Pressekonferenz fröhlich und locker erklärte: „Ich gebe euch kurze Antworten, dann müsst ihr nicht so viel schreiben.“

 

Dirk Metz ist Gründer und Geschäftsführer von DIRK METZ Kommunikation. Die Agentur unterstützt und berät Unternehmen und Verbände vor allem Themen der Krisenkommunikation. Metz war von 1999 bis 2010 Sprecher der Hessischen Landesregierung und gehörte von 2015 bis 2021 dem Aufsichtsrat des FC Schalke 04 an.

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