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  • AutorenbildHans-Jürgen Heck

Weit weg interessiert kaum...




Eine Flut in China und eine Flut im Ahrtal. Was Katastrophen wie diese oftmals voneinander unterscheidet, sind die emotionale Anteilnahme an den Ereignissen und wie darüber in den Medien berichtet wird.


Hans-Jürgen Heck, Senior Advisor bei DIRK METZ Kommunikation, geht der Frage nach, weshalb uns Katastrophen scheinbar nur dann interessieren, wenn sie direkt vor unserer eigenen Haustür geschehen.

 

14. Juli 2021, Ahrweiler. Ein Datum, ein Ort und jeder weiß worum es geht: die Flutkatastrophe vom Ahrtal.


17. Juli 2021, Henan. Ein Datum und eine Provinz in China. Klingelt's? Nein, tut es nicht. Denn während die Zeitungen in Deutschland die ersten Seiten mit der Katastrophe in Westdeutschland füllten, fand das Hochwasser im fernen China kaum Beachtung. Obwohl dort 380 Menschen starben, 200.000 Einwohner evakuiert werden mussten und rund zwei Millionen Menschen von den Auswirkungen der Flut betroffen waren, wurde das Ereignis in unseren Medien nur in wenigen Zeilen abgehandelt.


Zurecht kann man sich an dieser Stelle die Frage stellen, weshalb uns Katastrophen viel stärker emotional berühren, wenn sie direkt vor unserer eigenen Haustür stattfinden. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger aus dem Jahr 2019 nutzen zwei Drittel der Leser ihre Zeitung, um sich über regionales Geschehen zu informieren. Die Zahlen zeigt: Menschen möchten vor allem über das informiert werden, was sie unmittelbar betrifft. Sehen wir dann Bilder von einer Flutkatastrophe, die nur ein paar Kilometer von uns entfernt stattgefunden hat, fällt es leichter sich mit den Bildern der Häuser und der Landschaft des Ahrtals zu identifizieren, da sie uns schlichtweg bekannt vorkommen.


So sähe es auch aus, wenn es im Wohnort der Leserinnen und Leser eine Katastrophe gäbe. Das schafft Nähe und Betroffenheit. China dagegen ist weit weg, die überflutete Provinz hat ganz andere Klimaverhältnisse, sieht unserer Landschaft nicht ähnlich, die Kultur ist eine völlig andere und nur wenige Deutsche dürften jemals dort gewesen sein. Auch die Frage „könnte das so ähnlich auch hier bei mir passieren?“ kommt nicht auf und das Interesse an den tausenden von Kilometern entfernten Ereignissen ist eher gering. Die Empathie, Aufmerksamkeit und Anteilnahme an solchen Ereignissen scheint demnach mit jedem Kilometer Entfernung ein bisschen abzunehmen.


Ein anderes Beispiel ist der Krieg in der Ukraine. Seit Jahrzehnten toben auf dem Erdball in den verschiedensten Regionen Kriege. Egal ob Mali, Somalia oder Sudan - in den Nachrichten tauchen sie immer mal wieder, aber eher selten auf. Sicher auch ein Grund ist, dass die wenigsten Medien überhaupt einen Korrespondenten oder eine Korrespondentin in diesen Ländern oder auch nur im Umkreis haben. Viel entscheidender aber dürfte sein: diese Kriege betreffen uns – so schlimm sie auch sind – schlicht nicht direkt. Indirekt sicher, aber das interessiert schon wieder weniger.


Anders der Krieg in der Ukraine. Das Land liegt „um die Ecke“ und die Auswirkungen des russischen Überfalles begegnen uns überall: an der Tankstelle, am leeren Mehl-Regal oder am Obststand, wo die Preise kräftig steigen. Auch die Willkommenskultur bei uns und unseren Nachbarländern ist eine andere als noch bei der Flüchtlingswelle 2015. Polen, das sich vor sieben Jahren vornehm zurückgehalten hat, hat jetzt bereits über zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Zudem: viele Hunderttausend Menschen mit ukrainischen oder russischen Wurzeln leben bereits lange in Deutschland, fast jeder hat einen „Auswanderer“ im Bekannten- oder Kollegenkreis. Auch das schafft Nähe und Interesse.


Zeitungen und Nachrichtensendungen berichten seit dem Kriegsausbruch täglich intensiv über den Konflikt, der zweifellos bei Lesern und Fernsehzuschauern auf großes Interesse stößt. Klar, dass da auch eine gewisse Angst mitschwingt, man könne als NATO Partner plötzlich in den Konflikt hinein gezogen werden.


Dabei spielt auch die Kraft der Bilder eine Rolle. Noch nie gab es so viele Bilder eines Krieges, die auf den unterschiedlichsten Wegen verbreitet werden. Während im Zweiten Weltkrieg die Leute noch in Kinos gehen mussten, um von der (gleichgeschalteten) Wochenschau Infos über den Krieg zu bekommen, muss man heute nur noch in die Tasche greifen. Smartphones sorgen dafür, dass Berichte über den Konflikt immer und überall abrufbar sind.


Fazit: Alles, was auch uns direkt genauso betreffen könnte oder gar betrifft, interessiert uns und ist ein Thema für die Medien. Konkret: je lokaler ein Ereignis, desto mehr sind die Menschen davon ergriffen. Auch wenn die bloße Distanz oder auch kulturelle Unterschiede dazu führen können, dass sich Medien und Konsumenten dieser Medien, von gewissen Ereignissen distanzieren, sollte nicht vergessen werden, dass wir in einer globalisierten Welt alle voneinander abhängig sind – egal, wie viele Kilometer zwischen uns liegen.

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